Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

17.4.16

In der Prärie

Ein hübsches Motiv im Schleier der Maja.

Ich fahre hinaus in die Weite der Gedanken. Lasst mich atmen!

Das Einhorn scheut vor einem Erdloch in der Prärie. Schrill der einsame Schrei des Bussards. Hohl das Heulen der Einsamkeit aus der Wolfskehle hinter dem Horizont. Wohin die Hufe treten, erblühen die Blumen des neuen Jahrs. Und die Sonne leuchtet durch die nassen Halme der Gräser.

Sich umsehend verliert es sich in der von Leben entleerten Schönheit. Es läuft wie die Hufe vorgeben. Der Reflex einer Quelle blitzt aus dem Gebüsch.

Sieh, die tausend Schattierungen des Frühlingsgrün!

*

Sie war mir nicht so entfernt wie der Verwandtschaftsgrad.

Sie handelte unterstützend. So dachte sie Liebe. Man sprach über abgeschlossene und geplante Arbeit. Man kämpfte gegen drohende Not, viel Kraft setzte man zur Errichtung von Dämmen gegen die Sorgen ein, man sank müde und froh ins Bett.

Die Liebe hat ihren Halt verloren. Und nun kommen letzte Sorge, letzter Schlaf. Das Herz hört einfach auf zu schlagen.

Eine Weile noch ist Erinnerung. Sie rieselt in eine Erdhöhle der Zeit. Das Einhorn scheut davor zurück. Der einsame Schrei des Bussards, das Heulen der Einsamkeit aus der Wolfskehle.

Jetzt aber gehört der Gedanke daran mir. Sich entfernt habend, wurde sie wieder nah. Jetzt ist der Tod nicht wahr. Ihre Gesichtszüge aber verschwimmen im Ziehen der Wolken-Streifen.

Aus dem Gras erhebt sich ein feiner, kaum wahrnehmbarer Duft. Das Einhorn öffnet die zitternden Nüstern. Es gibt das Wunder mitten in der scheinbar ausgeräumten Schönheit. Auch im Wirklichen.

3.4.16

Alte Schätzchen



Heute ist richtiger Frühling. Ich gehe hinaus unter Menschen, durch die Gärten in die Stadt. Ein göttliches Wetter für einen vergesslichen Atheisten. Meine Vögel singen in den Himmel über Alzey, das Napoleon als Nachttopf bezeichnete und der Innenminister mit Menschenblick Zuber in eine richtige Stadt verwandeln wollte mit richtiger Kultur. Es sind auch Deine Vögel, wenn ihr Gesang auch Dein Herz hüpfen lässt.
Ich gehe also durch Vogelsang, Gärten und die Stille des Mittags. Zwischen tausend weißen und hunderten blauer Blüten im Gras ziehen Gedanken sich auflösende Spuren durch die Aufmerksamkeit. Sie treffen auf die Erinnerung in den Ruinen meiner heroischen Zeiten. Der jugendliche Held ist zum alten Trotter geworden.
In einer Umzugskiste habe ich alte Text-Schätzchen entdeckt. Eine Betrachtung der Welt anhand des Bildes von Hokusai "Fuji im Frühling". Das Bild beeindruckte mich damals sehr und ich versuchte betrachtend den Sinn des Lebens in ihm zu entdecken, beschreibend ihn weiterzugeben.
Wichtig erschien mir damals, mir und der Welt eine Erklärung ohne Gott zur Verfügung zu stellen. So wurde es zu einer etwas trockenen Sache mit verblassenden Farben, weil das Unerkennbare ausgeschlossen bleiben sollte. Heute hat sich die Begeisterung verloren. Es ist mir daher nicht möglich, eine passende Ergänzung anzufügen.
Eine Amsel singt ihr Regenlied und tatsächlich fallen eine Viertelstunde später drei Tropfen zwischen den Platanen am Bahnhof in mein Haar.
Ich verachte nicht, was der jugendliche Held damals in die Menschlichkeitstrompete blies. Es war von einem tiefen Gefühl von Menschlichkeit und Gerechtigkeit getragen. Wir diskutierten und erregten uns, während in rheinhessischen Hinterzimmern Koalitionen der Macher und Karrieristen beschlossen wurden, lange vor Hartz. Nach einigen Jahren Leben mehr möchte ich in Manchem aber lieber vorsichtig sein. Denn auch diese beiden Absichten können bitteres Leiden verursachen, wenn sie in einer Erlösungsphantasie auf reale Menschen abgeschossen werden.
Unentschieden geht nicht. Und daher denke ich heute, dass wohl im einen oder anderen Fall irrtümlich Falsches und/oder Unrechtes gesagt werden muss, um im Widerspruch etwas herauszufinden, das im goldenen Schweigen unbedacht bliebe.
Ich zeichnete damals mit Vorliebe meditative Skizzen mit feiner Kugelschreibermine in einer als japanisch gedachten Art. Unter aufbrechenden Knospen erinnere ich mich an eine große Sehnsucht, wie sie etwa in Texten des Jean Paul oder der Virginia Woolf deutlich wird. Als wollte ich die Ewigkeit festhalten.
Im gleichen Karton fand ich auch eine Mappe mit Kinderzeichnungen. Entschuldige, mein begeisterter Kunstbetrachter! Aber hier begann mein Herz zu schlagen: in Liebe seine hoffende Seele ausdrücken. Es machte mir den Wert von Berührung erst richtig spürbar. Und so sehe ich zwei Jungen Fußball spielen, eine Mutter ihrem Kind das Radfahren beibringen heute mit dem Interesse, das mir damals nur die Welt in oder hinter der Welt wert schien.
Jetzt sind die persönlichen Beziehungen in entfernteren Räumen festgemacht. Ich könnte der Sehnsucht nach den Ufern der Ewigkeit wieder mehr Platz einräumen. Aber ich bin froh und nicht selten fröhlich in einem von Erinnerung erwärmten Jetzt.
Das Pathos der heroischen Zeit ist übergegangen in Ungewissheit und Interesse. Damals hielt ich solche Wichtig und Unwichtig nicht unterscheidenden Leute für alte Schwätzer. Heute rühre ich etwas Sirup von Wehmutsblüten in den Bittertee und streiche das Deckchen aus geklöppelten Fragezeichen glatt: Richard, was meinst Du? Darf er Recht behalten?
Richard zeigt auf den jungen Herrn: "Sieh doch! Wie er den Vögeln lauscht."
Gott sagt: "Ordentliche Arbeit für einen Atheisten." Dann wirft er noch etwas Glimmer in die Sonnenstrahlen.
3.4.2016 Klaus Wachowski