Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

9.10.17

Dr. Smirc am Spülbecken

Ein Artikel aus Publik-Forum liegt neben dem Brotkorb. Dr. Smirc schaut immer mal wieder rein.

Zur Zerstörung zweier kleiner Körpers benötigst du mehr Kraft als zur Zerstörung eines daraus zusammengesetzten Einen. Ausdruck der inneren Kräfte gegenüber der Oberfläche: je kleiner das Volumen umso größer die Oberfläche.

Dr. Smirc an der Spüle. Der Kaffeesatz fließt ab. Wann kommt der Augenblick, an dem ich auch das nicht mehr kann? Ich fasse die klebrige Tasse an und tauche sie in das etwas zu heiße Wasser. Der Druck des Porzellans gegen die Finger, das Wasser auf der erschreckten Haut: Ich denke an das dritte Tagebuch von Frisch. Einer, der den Dank an das Lebendürfen nachvollziehbar ausdrückt. Ich bin mit meinem Gefühl nicht ganz allein.

Ein Theatermann schreibt über immer primitivere Beschimpfung von Religion und Gott. Dr. Smirc zuckt mit den Schultern: Ich war auch mal jung, große Sehnsucht nach den  Menschen, der Liebe, der Aufmerksamkeit machten mir das Gottanbeten so verdächtig wie den als Tierliebe säuselnden Menschenhaß, die vom Menschen weg zu weisen schienen. Jetzt ist Smirc alt: Du weißt eh nicht. Also glaube Gott oder das Nichts, mir ist die Welt als von einem gütigen Willen belebt eine angenehmere und glaubwürdigere Vorstellung als eine vom Ich-und-Ich beherrschte darwinistische Kickbox- Arena.

Dr. Warnix, Psychagog und Parteimitglied vor dem Ausschlussverfahren, wirft ein: Aber Hundefreunde und Atheisten können doch sehr wohl -und bessere- Menschenfreunde sein!

Darauf Smirc: Aber natürlich! Wenn Du Dir die Menschenliebe als eine erklärst, die irgendwie aus dem ersten Meteoritenstaub herausgemendelt wurde und sonst nichts mit Dir zu tun hat... Ich glaube eben, daß das Leben, die Welt etwas mit mir zu tun hat. Und wenn ich sterbe, möchte ich wenigstens Dich bei mir haben für einen schönen oder tröstlichen Abschied.

Warnix: Was hat das denn mit Gott zu tun?

Smirc: Ich glaube Gott über das Gefühl, irgendwem, irgend einem Prinzip, Ding, Kraft, Wollen danken zu wollen. Es war doch schön, leben zu dürfen. Und ich danke dem Was-auch-immer, daß dieses Ding an sich irgendwie im Leben ist, von dem ich mir kein Götzen noch Weltbild schnitzen kann.

Gott streut noch einen gelben Sack voll Fragezeichen in das Gespräch. Mit den Jahren ist der Regen der Fragezeichen zu einem kleinen Teich angeschwollen, in dem ich, wenn es geht, jeden Morgen bade. Sanft umspült es die Ränder des Verlusts, spült Trost aus immer neuen Berührungen des Lebens herzu. Auch nimmt es immer größere Anhaftungen von Wichtigkeiten mit weg, löst es immer mehr Erinnerung auf.

Dr. Warnix, Psychagog und transparenter Wadenbeißer, nimmt den Kaffee Altersheim gerne an. Muss ja nicht schmecken, gibt eine Stunde Aufenthaltsrecht. " Laß die Jungen! Auch bei uns ging's doch bis vor wenigen Jahren noch darum wer den Größten hat bzw. am schönsten ist. Laß sie sich am Zertrümmern immer kleinerer Partikel des Glaubens versuchen. So lange sie sich nach Menschenliebe sehnen, wird der Weg schon auch hier in irgendeiner Friedensecke des Glaubens oder Nichtglaubens enden.

Haßprediger hassen den Regen der Fragezeichen. Ob evangelikal oder bakunös-nietzscheanisch: Die Verachtung des Menschen braucht Ausrufezeichen. Primitives Schimpfen und das Anpinkeln von Hoffnungen auf eine Wertachtung aus einem anderen Raum als der Kneipe der Ideologie wird es immer geben. Fusel, vergiftete Muttermilch (Piet Kuiper?), dämpft Einsamkeit. Dr. Smirc empfiehlt ein Bad in einer von frischen Fragen befüllten Wanne, duftend nach Ungewißheit und Leben.

Gott schenkt ein Viertele Vergessen aus.

Er lächelt über die Bildnisse und Gleichnisse der Haßversteher. Herr oder Anus der Welt?! So schnitzt man sich ein Aha auf das Was.

Jetzt erstmal ins Warme!

Karlsruhe, 9.10.17

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