Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

20.10.17

Noch einmal Houellebecqs Schopenhauer

Artikel "die dunkle Seite" über Houellebecqs Schopenhauer in der FAZ

Sehr geehrter Herr Dr. Pornschlegel.
Einen Nietzscheaner mit Schopenhauer gleichsetzen!
Das ist Trump als Merkel.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wachowski

Sehr geehrter Herr Wachowski,
haben Sie vielen Dank für Ihre Lektüre und ihren Kommentar, dessen Prämisse ich allerdings nicht teile.
Herzlich
Clemens Pornschlegel 

"Man mag sich die narzisstischen Leiden lieber nicht vorstellen, die Houellebecqs Erfolg in manchen Netzwerkern ausgelöst hat." - Ich hoffe, daß ich damit gemeint bin.

Besonder kenntnisreich in Schopenhauers Philosophie scheint das Feuilleton nicht zu sein.

Die dunkle Seite (8.10.17 FAZ)

"Michel Houellebecq hat ein Buch über Schopenhauer geschrieben und begegnet der grausamen, tragikkomischen WeIt wie dieser mit interesselosem Gleichmut."

Wer außer Houellebecq lebt in einer "tragikomischen" Welt? Auschwitz ist es nicht, Srebrenica, Ruanda. Nichts daran ist tragisch, alles Grauen. Und was ist komisch am Ich-Ich auch der Literaten, wo ihnen der Erfolg klingelt? Wäre sie doch komisch: für interesselosen Gleichmut gäbe es kein Motiv.

Eine Zumutung für Schopenhauer. Dessen Mut war nicht Gleichmut und das Gegenteil von interesselos. Er wollte wissen. Was er wohl mit H gemeinsam hat. Nur: er kam -mit Kant- etwas weiter. Der Gleichmut des H zeigt sich weniger gegenüber dem Leben als gegenüber den Menschen, soweit sie in seinem Büchern überhaupt als solche zu erkennen sind. Geht das Lob Schopenhauers auf die Menschlichkeit (Über die Grundlagen der Moral), ist Hs bevorzugtes Thema Sex, Angst, Züchtung des Menschen, Sehnsucht nach dem Privileg, kurz der nietzscheanische Denkkreis um Herrschaft und Lust des Allzumenschlichen. Soweit müsste ein Feuilleton der F.A.Z. in Schopenhauers Stadt schon unterscheiden können. Aber da ist kein Ranicki mehr.

"Wie könnte man sich eigentlich nicht ekeln vor dem Triumphgeheul des Willens zur Macht? Vor Hunden, die nicht anders können als zu beißen und zu fressen — und die Schopenhauer zuweilen auch "Mensch“ nennt?"

Triumphgeheul des Willens zur Macht? Den Nietzsche so überschwänglich feierte? Also Nietzsche als Kläffer statt Pudel Atma, den er nach Pornschlegel wohl auch Mensch nannte?

"Was Houellebecq als den Grundzug der Gegenwartskultur ausmacht: Mittelmäßigkeit. ...
Deswegen tragen den Sieg dort aber auch, wie der Autor aus eigener Erfahrung weiß, „nahezu antriebslose, zum loser geborene Nieten davon“, die das Vermögen zur „passiven und gleichsam gefühllosen Betrachtung “ haben." 
Habe ich den Mann von den anderen Prämissen doch recht verstanden: H als zum Loser geborene Niete aus eigener Erfahrung? Bei solchem Bekenntnis bleibt dem Netzwerker nichts eigenes beizusteuern. So hat hätte er es nicht ausgedrückt.

Die Vielleicht schönste Passage des Schopenhauer—Essays findet sich-für den Beiträger der F.A.Z.- "auf Seite neun. Houellebecq schreibt dort: „Oft bin ich versucht zu denken, dass auf intellektueller Ebene seit 1860 [dem Todesjahr Schopenhauers] nichts mehr passiert ist. Es zerrt allmählich an den Nerven, in einer Ära der Mittelmäßigen zu leben, umso mehr, wenn man sich selbst außerstande sieht, das Niveau wieder anzuheben.

Überhaupt gefällt fortschrittlichen Kneipenphilosophen bei Schopenhauer regelmäßig das Schimpfen am besten. Das Werk selbst, die Übersetzung der Erkenntnisse Kants ins Verständliche, ist ihnen zu schwer. Sie wüssten danach, dass die Philosophie der Erkenntnis nach Schopenhauer abgeschlossen ist und "neue" philosophische Gedanken sich im Allotri von Parerga und Paralipomena erschöpfen, wenn es gut geht.

Ich werde gewiss keinen einzigen neuen philosophischen Gedanken hervorbringen; in meinem Alter hätte ich sonst wohl schon entsprechende Anzeichen zeigen müssen. Aber ich bin mir fast sicher, dass ich bessere Romane hervorbringen würde, wäre das geistige Klima um mich herum nur ein wenig fruchtbarer.“"

Er strengt sich redlich an, auf die anders schreibende Konkurrenz zu schimpfen, die sich seinen Win-win Phantasien des dick in die Lust geschmierten Vorurteils versagt. Er wird vermutlich auch in seinem Alter keinen tauglichen philosophischen Gedanken mehr weder hervorbringen noch nachvollziehen. Eine sarrazinsche Mediokrität zeigte sich schon in den Züchtungsphantasien der Elementarteilchen.

Und möglicher Weise ist das geistige Klima um ihn herum tatsächlich nicht fruchtbar. Das dürfte zum einen nun doch mit ihm in Zusammenhang stehen, zum anderen kommt es für ein berührendes - was meint er wohl mit "besseres"? - Schreiben ganz wenig auf irgendein geistiges Klima, ganz viel aber -übrigens auch nach Schopenhauer- auf gelebtes und gefühltes Leben an, das kein Plot - Automat ersetzen kann.

Ich glaube, dass hier ein Forschertemperament durch eine Internatserfahrung in das Fach Literatur gedrängt wurde.  Die falsche Sparte .Seinen Erfolg hat nicht er zu verantworten, sondern eine ebenfalls gelangweilte, ebenfalls im falschen Leben gelandete Leserschaft der Diva, der die Welt Liebe peinlich ist gegenüber der Möglichkeit als Elite auf dem Rücken von Massen Wettrennen um Aufmerksamkeit zu veranstalten. "Fabrikwaare der Natur", damit meint Schopenhauer gerade eine Intellektualität, die dem Ruhm hinterher rennt, statt sich aufmerksam und ernsthaft dem Leben zu widmen.
Es zerrt nicht mehr an den Nerven. Die Aussicht geht ins Tor zum Nichts.

*
Ich denke bei H an einen ebenfalls narzißtischen Freund, der von Anarchismus zum esoterischen Reichsbürger gekommen ist.

Eigentlich sind es doch auch meine Leute.

Der eine verunglückt im Ruhm und tröstet seine Einsamkeit mit Bespöttelung des und mit Züchtungsphantasien über den Menschen. Der andere ging die Guru-Meile vom Anarchoaktivisten über eine katholische Sekte ins Reich der Verdrossenen. Sie wissen: man mag sie lesen oder nicht, ihr Wort ist verloren. Botschaften auf dem Kunststoffputz einem Betoninteresse. Wohin stirbt man aus dem Elfenbeinturm? Der Porsche, die Sänfte steht bereit.

H schreibt an einem langen Lappen und wird berühmt, weil er die 68er beschimpft, deren Ideale von den literarischen Cliquen nach Besetzung einträglicher Posten verraten wurden. Diese fühlen sich entlastet. Mer lacht aus der Villa Massimo. Das Sterben im Mittelmeer geht weiter.

X wird vom Bürgeraktivisten zum religiösen Fanatiker, Guru des Cohumeini Lorber und zieht in das Paradies einer Erdhöhle. Und plötzlich nimmt sein unablässiger Kampf gegen Gesetze und Gerichte die Physiognomie eines von Haß verzehrten Reichsbürgers an.

Narzißmus. Das Thema war Zugehörigkeit. Verstehst du das Wort, dass Du sagst, der du so fern wohnst den Herzen? Wer hat dir das Vertrauen zerschlagen?

Mich hat die Liebe ins Leben gestürzt und auch Pflichten und Wertentscheidungen ausgesetzt, denen ich mit Schreiben nicht entkommen konnte. Mit der Folge eines Wegs und mancher Bücher des Ungewissen.

Ich kann mich nicht zum Pharisäer aufschwingen, denn ich bin wie sie. Und mein Glück wurde mir von anderen Händen. In den Zäunen der Wirklichkeit sang ich. Die Weiten der Relativitätstheorie gekrümmter Räume der Phantasie konnte ich nicht durchmessen. Es blieb 3D, auch mit Gott.
*
Es ist Herbst. Ein gelbes Blatt fällt, drei, mehr gelbe Blätter fallen in den Dobel. Unsere Wichtigkeiten zerfallen.
Dr. Smirc meint,  "Sieh mal, was ärgert Dich ein fauler Ruhm? Die letzten Tage sind zu wertvoll, um sich über im Pflaster lärmende Dosen aufzuregen. Bleibe bei Dir, Liebe, Leid, Not, Glück und dergleichen. Schwer genug. Schön und leidvoll genug.

Was erzählt P für Fakes von 68? War er dabei an der Musikbox? Ich habe ihn nicht gesehen. Und jener, der jetzt lacht, wo er früher lechzte? Was mehr hat er verstanden als Ich-Ich, wo das Du vertraute? Einen Jux hat er sich gemacht. Jetzt macht er sich eine Wut von gehobener Pegida.

Ich komme aus einem norwegischen Kirchenlied. Gewundene Pfade, Schatten und Licht. Wie lange noch zum Ende von Sehnsucht und Trauer, Angst und Vertrauen, Ich und Du? Um die Ecke steckt ein Du die Hand aus. Wir sind unter Sternen, meinten die alten 68er. Die Freunde, die nun zitternd in der S-Bahn love und peace nachtrauern, lächerlich lächelnd unter schütterem Haar. So auch ich, noch ein wenig rüstig.

Ist das mit den Sternen egal, wie H meint, oder ein Auftrag zum Haß nach X? Gott streut neue Fragezeichen aus. Eines davon stecke ich in die Tasche. Offensichtlich ist das noch nicht das letzte Hemd.

Soll ein Nietzsche sich doch den Schopenhauer machen, ein Trump die Merkel, ein Reichsbürger den Jesus, ein Feuilleton Segnung des Herrn. Ich mähe keinen Acker mehr auf Glatze. Ich nehme meinen Wanderstock als Stecken und Stab und gehe den Rest eigenen Wegs.

SGw.

20.10.17





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen