Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

30.4.17

Stille Dörfer

Ich erinnere mich. Der Schrecken: Hoftore, Zäune, das aktuelle Blütenangebot.

Plötzlich bellt der Hund des Dorfschlägers. Und eine Holztür knarrt.
Du beschleunigt Deine Schritte. 

Auf Deinem Weg hinaus überfallen Dich Sherrif und Gangsta.
**
Dies ist das Internet.
Der gestiefelte Admin aus Wacken schnürt den Sack hinter Dir zu

Erinnerungen

Mein Schulkamerad aus ganz früher Zeit malt.
Mein Schulkamerad aus jüngerer Zeit spielt Gitarre.

Der eine ist glücklich, der andere enttäuscht.
*
Ich bin traurig und froh.

Es ist schön an den Raum zu denken, den unsere Wege durchkreuzten, einander zu schneiden. Dort leuchtete es.

Von dort leuchtet Erinnerung.

15.4.17

An einem Grab vorbei

Da steht: "Geh am Leben vorbei. Es ist nichts."
Ich habe das andere Gefühl: Die Auferstehung war ja schon. Und was habe ich außer dem?
Trump hat jetzt eine Riesenexplosion in die Ewigkeit gedonnert und hundert das Leben genommen. Der Tod sagt:"Na und? - Wir reden mal drüber, wenn Du verzweifelt am letzten roten Knopf drehst und ick bin all dor..."
Nein. Ich habe Freude unverschämt und Leid genug gehabt. Und vermutlich kommt noch etwas dazu. Das war nicht Nichts. Es war das einzige, das ich habe und eines Tags verlassen muß.

13.4.17

Trauer betritt den Raum der Sehnsucht

Menschen der Sehnsucht und die Eingeweihten des Schmerzes betreten den Raum.
Singen und Beten. Versenke Dich!

Was ist das Ding, das wir Welt oder Leben nennen, an sich selbst? Sokrates, Kant, Schopenhauer wissen, daß wir es nicht wissen können. Ich mache mir weiter kein Bild davon und spreche es wie Spinoza, Sufis und Samariter mit dem Namen Gott an. Du bist wohl, wie die Buddhisten angeblich sagen: Ich-noch-einmal in anderer Gestalt. Und von wo sonst aus außer aus meinem Inneren sollte ich auf das Außen schließen?

Es ist nicht mehr ausreichend dunkel für Erleuchtung. Aber das Licht der Kerzen überstrahlt schon ihre Gestalt. Durch die Tränen erreicht es mich als feiner orangener Strahl.
Zeigst Du Dich mir so, Unbekanntes? Kann es sein, daß ich bin. In diesem unendlichen Raum, in diesem Versprechen, in dieser Umarmung Liebe?

Nach dem Abendmahl rauche ich im draußen plötzlich aufscheinenden Abend einen heiligen Zigarillo. Schmeckt immer noch nicht, hat aber eine Erinnerung an Leichtigkeit.
Wundergrün der frühlingshaft aufgebrochenen Kastanienallee und darüber schwarz getuschte Schatten.

Der Alltag erscheint als massenhaftes Gassi gehn in Anlagen. Zeit des Hundewau und Dermachtnix. Die AFD kehrt zurück an die Haßkonsole.

Aus beginnender Nacht denke ich an Euch, meine Lieben.

Das Gefühl ist: Dies ist mein Leben.
Die Antwort ist noch: Ja.

13.4.2017

3.4.17

Goldene Garben



Ostern

Ich hänge zwei Ostereier an den Strauch.
Das Leben könnte einem egal sein, wäre die Liebe nicht.

Ein Kind singt.
Von den golden leuchtenden Garben. Es singt: Gaben.
Von den Bergen kommen dunkle Wolken.
Ich habe die Garben eingeholt. Aber der Regen hört nicht auf.

Es sind uns geschenkt:
die goldenen Garben, die dunklen Wolken, der Wind, der den Regen treibt.
Die Liebe trägt es Dir zu.
3.4.17 Klaus Wachowski

28.3.17

Das Jubiläum

Verkostungsnotizen zur aktuellen Kollektion seniorengerechter Peinlich- und Langweiligkeiten vom Feinsten, original vorgestellt und unter händisch geschnitzten meersburger Putten zelebriert und präsentiert von unserem literarischen Generalvertreter Martin Walser, am feuilletonischen Katzenbänkchen begleitet vom begeistert schmeichelnden Loden-VIP. Wer begehrt Einlaß? Hört sich irgendwie an wie der Mayer von neulich.


Einen Schwätzer kritisieren, einen, dem alles aus der Hand gerissen wird, was er gegen sich und die Welt auf dem Herzen hat. Was für ein gewaltig walzendes Interesse am Alltagsgedudel! 


Das ist doch kein Philipp Roth, Robert Walser, keine Virginia Woolf, natürlich kein Joseph Roth oder gar Anton Reiser, mit dem ihn tatsächlich eine schmusende Ahnungslosigkeit vergleicht. 


Zu Philipp Roth gerade angesichts des Treibens eines ruckelnden Hahnenkamms noch einmal: "Ich lese nicht gerne Romane, weil die Kopie des Lebens mir oft langweiliger erscheint als das Leben selbst. Schade, daß Philipp Roth nun aufhören will zu schreiben. Ich hätte doch gerne erfahren, was ein k r i t i s c h e r Kopf zum Leben ab 80 einzuwerfen hat. Denn manchmal ist die Haltung eines kritischen Kopfes zum Leben interessanter als das Leben selbst."


Das Tor zur Ewigkeit steht offen. Ob Ruhm da nützt?-- So wolle man den Literaten von der Stange die Strecke hin noch weiter mit der intellektuell biegsamen Masse schwatzen lassen. Er: Am Ufer, mit Hut, ohne Hut, deutend, denkend, im Dickicht, auf der Wiese, wie der raunende Beobachter bemerkt. Mit dieser Strategie verkaufen Sie Ihr gebildetes Wohlsein zum Höchstpreis!


Es ist nur Geschwätz. Und wenn er es nicht über sich bringt, sich für die widerwärtige Ausarbeitung eines persönlichen Angriffs zu entschuldigen: wenden wir seinem Stammtisch den Rücken zu, verlassen wir ein Lokal, das solche Gäste schwadronieren läßt!
Sein Ego schützte ihn bisher noch vor dem bodenseeschmutzigen Antisemitismus einer Droste, die immer noch Dunkelheit in Lesebüchern genießt. Er beleidigt persönlich. 


Es ist natürlich leicht für einen, der ohnedies nur ein geringes Interesse für Tagesgeschwätz hat, (ich beteilige mich gern, finde die Verbreitung aber zum Gähnen,) diesen Großschriftsteller zur Seite zu legen. Ich erinnere mich an unsägliche Schullektüre. "Flugzeuge über dem Haus" war das einzige, das etwas in mir auslöste: ein starkes Gefühl von Leere. Sonst hat mich nichts berührt, in das ich dort quer (mehr war Qual) las.


Widerlich erschien mir aber die Haltung zum Thema "Man wird doch da mal sagen dürfen" und zu dem Personen Bubis und Reich-Ranicki. Zum "Tod eines Kritikers" hat Helmut Karasek das Nötige gesagt, Schirrmacher den zutreffenden Kommentar gegeben.


Einer, der tiefer Gefühltes als Ehen in Philippsburg und sonstiges von Pferden geschrieben hätte, wäre zu einer solchen Haltung nicht fähig gewesen, geschweige denn dazu, sie öffentlich vorzutragen. Niemand muß ihn einladen.


Jetzt Hype 90 Jahre, ordentlich Aufstieg und Entgleisung. Er mag in Frieden seinen Stammtisch einberufen und aus der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit schwinden.


Was mich weit mehr interessiert sind Herkunft und Ursache einer öffentlichen Verehrung, der so gar nichts zugrunde liegt. Selbstverständlich ist auch der trostloseste Anblick bei rechter Beleuchtung geeignet, wirkliche Regung und Bewegung zu erzeugen. Das liegt dann nicht am Buch. Aber wie verhält es sich mit der aufschäumenden Unterwürfigkeit aus der zweiten Reihe?


*


Sieht er gar nicht ein, daß er sich bei diesem -das Wort sagt er lieber nicht- für Wahrheit entschuldigen soll. Wozu?
Der alte Vertreter, der's vom Schnitzel zum Entrecôte geschafft hat, macht eine eindrucksvolle Geste, bedeutsam deutend.
Nun ja, er will mal sagen, ganz so schlimm hätte er ihn wohl nicht her nehmen sollen. 


Babitt ist zu Ruhm gekommen. Ganz angenehm im Fürstenschloß nachkriechender Begeisterung. Kennt er aber schon von Klinkenputzers Beinen an.


Wie die Lobhütler die Zimbeln schlagen, die Abwiegler Ehrfurcht in die Erscheinung vom Brustton des Schnitzelbarock gießen! Salbung geht runter wie Öl. 


Das könnte aber auch alte Vertretertaktik sein, das Produkt zu schmalzen und sich vor Öffnung des Vertrags zu schleichen. Sind sie wirklich von ihm überzeugt? 


Er hört sie schon am Wirtshaustisch beim Spesenabgleich Sotissen erzählen. Wie er seine Kunden, so scheinen sie ihn irgendwie zu taxieren.
Dr. Smirc meint: "Wäre ich ein Jean Paul, ich würde solchem Kristlein die zutreffende Gestalt am Fürstenhof geben. Ich kann es leider nicht.
So gebe ich seinem toten Kritiker, der ganz anderes erleben und leben mußte als er, jene Tagebücher in die Hand, die den Weg zur Putte weisen.


Er legt sie beiseite und gähnt."


Es gibt so viele Babitts, speziell German Babitts. Laßt sie leben, schwatzen und dafür gepriesen sein. Ein Vertreter der's zum Provinzial geschafft hat, umarmt die Welt. Solange ich nicht dabei bin...


*


     Rufe vom Tennisplatz - Sprüche wunderbar und flüchtende Flausen - Unterschiede: Wen am "einfachen Leben" das Leben interessiert oder seine Primitivität - das Gesicht des vorgeblichen Verehrers glänzt puttengleich


27.3.2017

21.3.17

Neue Text-Collage "Kraft und Schlummer"

siehe Blog: Spielwiese und Reisen

10.3.17

Keller

Ich höre den Kleiber in den Lichtfluten des ersten Frühlingstages.

Ich sehe das Bild vor mir: den Beschlag aus schwarzem Edelplastik auf der Tür im Keller. Die nächste Kellertür. Unser Verschlag.
Noch ist der Druck auf die Klinke fest und rasch.

Der Gedanke: Auch das wird einmal zum letzten Male geschehen sein.

Ein Kleiber singt sich durch die Lichtfluten in meines Herzens Keller.

10.3.17 Klaus Wachowski

28.2.17

Sources


19.2.17

Schnee aus leerer Wand

„Das Publikum, vor dem Sie die Motive meiner publizistischen Arbeit diffamieren, kann ich nur erreichen, wenn ich gegen Sie prozessiere oder Sie ohrfeige. Da mir zum Prozessieren das Geld fehlt, bleibt mir nichts anderes als die Ohrfeige“, schreibt Walser. „Sie werden bitte, jetzt nicht auch noch die Geschmacklosigkeit haben, diese Ankündigung als Antisemitismus zu bezeichnen.“

(nach Die Welt - KULTUR TAGEBÜCHER  - Martin Walsers ewige Wunde Marcel Reich-Ranicki - Von Judith Luig Veröffentlicht am 14.03.2010) 

Ist es das: Sich die Erlaubnis zu einer Ohrfeige holen, weil sie nicht antisemitisch gemeint ist? Aber es ist doch eine Ohrfeige, die einer Moralkeule zuvorkommen will. Unsäglichen Lavieren.

10.1. 17

Es schneit. Ich gehe in die Stadt und versuche dabei, das Gefühl Virginia Woolf mitzuempfinden. Aber die Sensibilität ist auf basic ohne Kohlensäure. Keine Krähen in den bleiernen Wellen eines Glockenklangs.

Dann imaginiere ich eben das Projekt Walser nach.

Der Alte sinnierend vor einer leeren Wand. Das mit der Reue will nicht gelingen. Immer noch das Rattern des Ehrgeizes auf dem mit Schlaglöchern gepflasterten Boulevard eines deutschen Ruhms.

Ja, er hatte alles Glück einer Nachkriegsexistenz. Förderung, Beziehung nehme ich an. Aufschäumende Skandale taten das ihre dazu.

Wie war das mit den Flugzeugen über dem Haus? Der Ruhm hat ihn weit weg in eine Schreibe von 60-Seiten-Romanen entführt. Das Wort hat zuletzt nur noch erzählt. "Rank", na ja!

Er sagt "nackte Wand" zur leeren Wand. Etwas Trieb ist noch geblieben, läßt ihn die Wendung zur Rückschau, zu der halt auch die Reue gehört, nicht vollziehen.
Als sei stets Ziel und Wohlgefühl gewesen.

„Hast Du Lust auf Rache an Unverdientem?“
„Nenne Du mir Verdienst!“

Ich stelle mir vor, das Bewußtsein, sterben zu müssen, lege schon sein Dispersionsweiß auf Deine Aufmerksamkeit. All dies, was einmal war und wichtig war, liege unter einem Dunst fern am Horizont.

Wiederholungen dienen dem Versuch einer Rückkehr. Aber Du bist ein Schreiber, man erwartet Neues von Dir.

Das kommt Dir andererseits bezüglich des Problems Reue entgegen. Und der Betrieb ist treu. Man ruft nach Dir.

Wäre es nicht manchmal schön, vor einer Flasche Wasser zu sitzen und die Aussicht ins Nichts auf sich wirken zu lassen?

Rank: Er scheint noch recht drüssig auf die Welt.

 *

Mir scheint es schön, in den fallenden Schnee zu schauen. Aber auch das Nichts bietet interessante Rätsel zu Ich und Du. Was sein wird, werde ich bald erleben, was ich erlebte und versäumte, gewinnt an einem stärkeren Interesse, an einer schwereren Schwierigkeit.

Manchmal, angesichts des Leidens in der Welt, komme ich mir schäbig vor, so vor mich hin zu beobachten und zu schreiben. Ich könnte mehr helfen, ich hätte mehr helfen können. Mein Kompromiss besteht darin, etwas zu helfen, dann wieder zu schreiben.

Danke, Leben unbekannt, daß ich es noch kann!

12.2.17

Herz zuviel



Demasiado Corazon 


Er zeigt den Mann, dem der Regen in die Augen läuft, auf den der Schatten aus dem Himmel fällt. Von hier aus sieht es gar nicht mehr nach Depression aus. Und Trauer weicht neuem Tag.

Bagger im Park. Im Fasanengarten blühen Winterling und Schneeglocke, Birken hängen ihre gelben Samenwürste in den Wind; die Blumengeschäfte rufen  Osterglocken und Traubenhyazinthen aus. Tulpen und Krokus werben für Frühlingsanfang. 

Die Stadt wird bald die ersten Studentenpärchen über die Wiesen streuen, in die biologischen Erinnerungen der promenierenden Senioren. Alleine Erziehende und ehefaule Muttersöhnchen ziehen verliebt mit hüpfenden Enkeln an ächzenden Gelenken vorbei. Es ist schön wie Sonnenstrahlen in Deinem Haar, mein Glück.

Aus dem Weltraum der Hoffnungen ein erster lauer Wind. Die letzten Plastikweihnachtsbäume fallen von den Gräbern. Zeit, die Tannenzweige von Töpfen und Kreuzen zu nehmen. Von allen Seiten Gesang der Vögel. Der Zigarillo ist geraucht und ausgedrückt. Weg damit und nehmt mich mit in die Zeit!
X und Y kommen auch mit. Wir gehen unter knospenden Bäumen. Der Betonturm der Kirche von 1950 sagt: "Halte mich!" Er kann mit Gottes Freiheit noch nichts anfangen. Auf der großen Straße säuft sich die Jugend in die Fastnachtsverblödung. Angst der Großen. Laß!

Bald ist es wieder schön zu joggen, Motorrad zu fahren, hinaus zu gehen auf der Suche nach dem See des Jetzt. Wir gehen, gehen, reden weiter miteinander im Herz der Hoffnung. Es zwitschert von allen Seiten. Aus allen Herzen singt es in den Frieden.

-auch im Tagebuch Karlsruhe - Klaus Wachowski 12.2.17

21.1.17

Beim Pio


All along the watchtower.  

-Text aus Tagebuch Karlsruhe -

Ich kann Dir nicht mehr sagen, was der Hit war und was die Rückseite der Platte, für deren Abspielen wir untereinander sammelten. Jimmy Hendrix. Heute hörte ich „all along the watchtower“ und ich wurde erinnert. Ja, wir brauchten Jimmy Hendrix und Bob Dylan.
Es war ein italienisches Eiscafe', beim "Pio", in dem wir uns trafen. Dieser „Ausländer“ war der einzig Mutige in der kleine Stadt, der so eine Musik in seiner Musikbox spielen ließ. Draußen üble Stimmung. Düstere Gespräche über die rote Gefahr aus dem Osten und die Sozis hier, abschätzige Bemerkungen über die Amis und verkniffene Gesichtszüge einer malochenden Armut. Wir aber wollten leben. All das war weit weg von dem, was uns hinaus und zueinander zog. "I can't get no satisfaction", die Stones hatten recht.
Und da hinein schlugen plötzlich explodierende Laute und von Stimmen von Selbstvertrauen. Unerhörte Melodien. Wir verstanden nicht, was dieser Jimmy Hendrix sang. Aber das war klar: Die Sehnsucht hieß "Freiheit".
Wir standen nicht auf, und bis wir zur ersten Demo gingen vergingen noch Jahre. Wir tranken Tee (dauert länger, bis er kalt ist und ist billiger - Geld sparen für Musikbox) und warteten. Wochen, Monate auf ein Irgendwas. Die unterschiedlichen Schulwege führten uns voneinander weg. Wir warteten in anderen Räumen, mit anderen Freunden.
Eins war klar: es gab irgendwo Freiheit. Und ersehnt, doch unvermutet kam die Liebe.
Immer wieder in der Vergangenheit hat der Egoismus des Spießers und das Wir-Zuerst der Menschenverachtung versucht, die 68er Hoffnungen auszulöschen. Sie haben nun die Macht, eine russische Depression aus Amerika. Es wird wohl etwas länger dunkel sein.
Wohin geht Ihr, um einander zu treffen? Was sind Eure Lieder? Was bringt Euch zusammen?
Ich wünsche Euch ein Leben der Freundschaft und der Liebe - in Freiheit.
Das Lied war „Purple Haze“.
20.1.17 Klaus Wachowski

9.1.17

Rank-Schmied Walser

De morituri nil nisi bene




"statt etwas - letzter Rank", Walsers Alterskalauer.

Nicht einmal so kurz vor dem Ende die Gemeinheit gegen Ranicki öffentlich bereuen können, im Gegenteil glauben, "verzeihen" zu dürfen!

Reue ist schwer. Aber wie sonst will man nach dem Ausflug Leben ganz zu sich und der Welt zurück kommen?

Und: er hat doch lange genug schreiben geübt. Sollte da nicht der Wunsch sein, zum Ende hin doch noch etwas zu sagen?

Blindheit des Ich. Oder Altersstarre?

*

Empfehlenswertes Gegenbeispiel: Mankell.

4.1.17

Rote Krabbe auf der Weihnachtsinsel

Es ist ein Anblick des Jammers. Terra X zeigt einen Beitrag über die Weihnachtsinsel, von Millionen von feuerroten Krabben in riesigen Strömen durchwandert.

Dann richtet sich die Kamera auf dieses Exemplar. Sie hat mit riesigen Scheren zwei Ameisen gepackt. Der Kommentator erklärt, dass die Zeit der roten Krabben wohl vorbei ist. Heere von eingeschleppten Ameisen verätzen den Krabben Augen und Mund. Sie können sich nicht mehr ernähren und verhungern.

Essen Ameisen Krabben? Möglich.

Mich dauert der Anblick der nun leicht zur Seite gekippten Krabbe mit dem trüben Auge und dem tropfenden Mund.

Ich hasse unter den Tieren zur Hauptsache die Mörder. Ansonsten sind sie mir eher gleichgültig. Menschen bedeuten mir regelmäßig mehr.
Die Natur ist wie das Leben: schön zu leben, schön und schrecklich zu sein, schrecklich und manchmal schön zu sterben.

Die Ameisen kommen. Nützlich, nicht wahr? Sie killen, was ihnen unterkommt. Laß sie gehn! Aber die Krabbe dauert mich. Sie darf nicht einmal in Ruhe sterben.

Ich stelle mir unter Gott dieses Gefühl vor, das in mir ruft: "Nein!" und doch keine Macht hat, es zu ändern. Vielleicht hat es dem Kameramann den Wunsch eingegeben, die Krabbe auf einem von Ameisen freien Platz auszusetzen und die Augen mit Wasser abzuspülen.

"Sentimental!" -  Sagt wohl die Vernunft. Ich denke: "menschlich".

Die Vernunft sagt - ganz ameisenhaft: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral". Ich habe diesen Satz oft mit erhobenem Zeigefinger gesagt. Jetzt habe ich dazu keine Lust mehr. Das Gefühl hat einigen Raum von der Vernunft zurückerobert. Ich bin Jahre älter, als Brecht wurde.

22.12.16

Entscheidung

Wovon wir auch naschen: Reiswaffeln der Hoffnung oder schön gefärbtem Zuckerguß auf den Zimtsternen der Erinnerung, bunt oder gesund:

Man wünscht sich frohe Weihnacht und Glück fürs neue Jahr.

16.12.16

Mit wem Du sprichst

Dr. Smirc öffnet das Fenster 15 des Adventskalenders für Senioren: "Schon wieder eine Lebensbescheinigung!"
Cash, Cohen, Dylan, Roth: Was erwartest Du? Die Tür im Horizont ist zum Tor geworden!
Er ist keiner, der sich nicht umsieht. Und ein großer Raum seiner Gedanken ist von der Betrachtung des Nichts erfüllt. Man sagt, es sei nicht schwarz. Wie aber soll man die Abwesenheit von Licht anders nennen?
Erinnerung legt sich schwer in die Ungewissheit. Fremd geworden ist das Jetzt. Doch ist Fremde nicht die Heimat der meisten?
Der Tag jagt ihn auf. Das Elend, die Herrschaft des Unrechts, der Anmaßung und Gewalt, die Stammtische und Bewegungen des Wir von Hass und Gemütlichkeit springen ihn an. Und immer waren und sind Schreie und Seufzen und Opfer.
Das Leben schwemmt die Lust am Leben aus. Das Gefühl heißt Ohnmacht. 
Er sieht das Tor, davor das Geschwätz der Wichtigkeiten. Auch darüber muß er noch steigen.

Er ist in einen anderen Planeten umgezogen. Oder: Es hat ihn umgezogen. Die Beleuchtung hat etwas von einem gescheiterten Märchen. Die grünen Wiesen, blauen Himmel, Sonnenschein auf Blütenkelchen sind ausgebleicht. Rosafarbene Wege in der Wüste. Die Ernte ist ausgeblieben.
Was hätte auch kommen sollen? Lob, Preis, Nobelpreis. Ruhm war Verrat. 
Die Tür des Überlandbusses öffnet sich. Der Brodem der Verehrung schlägt ihm entgegen.

Du stehst in einem anderen Raum, kannst ihn über die Einsamkeit hin nicht ansprechen. Und Berührung ist eine verbotene Enttäuschung.
*
Laß es Dich nicht verdrießen! Man kann nicht zum Berg kommen ohne das Tal zu nehmen! Nimm den Weg durch die Liebe, oder den durch das trostlose Ich: Du kommst stets in der richtigen Verfassung an.
Der Ort heißt "Schau!". Soll das Tor über all Deinen Fragen stehen? Oder willst Du Deine Sehnsucht und Deinen Zorn hinauswenden, zurück?
Die Frage des Jetzt lautet: welchen Weg willst Du nehmen, und: wie ihn finden? Achte den Weg. Das Ziel findet Dich von alleine.
Es wird der gleich graue oder blaue Himmel sein. Du wirst d
em Leben antworten, mit dem Gefühl, als erhöbe sich hinter Dir ein hohes Tor.

16.12.2016 Klaus Wachowski

13.12.16

Seltsamer Ort



Die Wolken werden dunkler, die Kälte beißender. Unter den schrillen Sebsterhöhungen und dumpfen Drohungen eines Politclowns schwirren gleisende Lichter, düstere Schatten darüber.

Das Kind kann sie nicht sehen, aber sie stürzen in die Seelen der Älteren, verhärten sie, wirken als mürrischer, genervter Umgang, erregen Mißtrauen, Niedergeschlagenheit, Verlorenheit. 

Er weiß es nicht, daß sein wiederholter Gang auf die Berge zu an die Worte von Anne Sexton über das schreckliche Rudern auf Gott zu erinnert. Was sucht er in den Wäldern? Es mag schwieriger für die Orks sein und stiller. Aber dafür lauert im Schatten die Angst.

Er sucht den Brunnen vom Rand der Lichtung. Dort erschien ihm einst erstmals das Gefühl, angenommen zu sein. Waren es Wärme und Licht und kühlender Schatten? War es das Plätschern des Wassers? Es ist kein Kraftort für Esoteriker, die Wandervereine zersingen mit guter Stimmung das Schweigen, Förster, Jäger, Arbeiter verstehen erst, wenn sie ihre Aufträge und Projekte ablegen. Ab und zu verirrt sich ein Vertreter für Staubsauger oder Versicherungen in strack gebügelter Seele hierher, geführt von bohrender Einsamkeit, die das Leben als Akquise nicht mehr aushält. Ein Blatt fällt, und es geht weiter. Spesen gespart.

Dies ist ein ganz individueller Sehnsuchtsort. Und der Junge geht immer wieder darauf zu.

Es ist kalt und die Wolken werden dunkler. Die Reben rechts und links der Straße zeichnen expressionistische Tuschen in die Luft. Aber daheim und in der Stadt bereitet sich ein zunehmendes Wirgefühl auf das große Weihnachtsfest vor. Es klappert, hämmert, sägt, plappert, ruft einander zu.

Man erwartet doch wohl nicht die Wiedergeburt Christi? Aber man erhält doch einen feinen Abglanz von Frieden und Freundlichkeit. Liegt nicht schon darin etwas von Paradies für das in Einsamkeit der Liebe geborene Wesen Mensch? Der Junge weiß nicht, daß er durch die letzten Tage des Jahres der Barmherzigkeit geht. Wo es seiner Welt gut geht, fühlt er sich frei, seinen Ursprung aufzusuchen. Hier sang der Vogel.

Er taucht in die Waldwege ein, wird sein Ziel finden. Vielleicht wird ihn sogar ein Duft aus der Erinnerung berühren. Und er wird beschwingt zurückkehren, seinen Platz in einem unaufgeregten Alltag wieder einnehmen.

Was wohl aus ihm werden wird? Ob er überhaupt mein Alter erreichen wird, einen Raum der Sicherheit und von Horizonten? Ob er dem Wunder Liebe begegnen wird, verschont wird von Verlust der Liebe?

Ich wünsche ihm Menschen und Berührung. Ich wünsche ihm die Fähigkeit und die Möglichkeit, diesen, seinen Platz immer wieder zu finden.