Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

23.9.17

Wondratschek verweigert sich

Der erste Eindruck nach dem Interview mit Wondratschek ist der von großer Enttäuschung und Depression.

Das Verschwinden im Alter merkt wohl der ehemals Berühmte am schmerzlichsten. Die Verlage kaufen nicht mehr von Dir? Es liegt nicht an ihnen. Sie wissen schon gut, was die Leute interessiert.

Sie wollten mir keinen Zutritt in ihre Lounges gewähren, weil andere zahlungskräftiger per Publikum erschienen. Und auch im Netz liest mich so gut wie niemand außer Geheimdiensten und Pornopages. Mein Beifall entspricht dem unbeliebter Marktschreier.

Doch wenn ich singe, möchte ich singen, dann aber auch von Menschen gehört werden, und schließlich, daß wir alle zusammen singen. Wo ich ein Märchen erzählte oder ein Gedicht, möchte ich den und die "ich-noch-einmal" erleben, denen die Welt ebenso gefällt. Und ich singe doch keinen Monolog, sondern begeistere mich erst richtig, wenn die anderen Bandmitglieder ihren ebenso wichtigen Part übernehmen. Ich bin kein Star, ich will Menschen!

Das vergessen viele in der Enttäuschung und in der großen Enttäuschung Alter: Daß wir Menschen sind.

Von Wondratschek, der zu Recht den alternativen Literaturpreis bekommen hat, hatte ich aufgrund seiner Begeisterung, mit der er früher dem Leben gegenübertrat, angenommen, sein Blick sei weit. Jetzt höre ich, er veröffentliche nicht, weil sein Wert nicht richtig gewürdigt werde.

Was wird geschehen?

Ein Bucharchäologe wird einst eine zerfallene Schublade öffnen und in Begeisterung über einen verschollenen Roman des Schriftstellers ausbrechen. Vielleicht wird es einen Hype, vielleicht weiter nichts geben.

Und weiter?

Die Frage ist doch -nachdem wir nun wissen, wie wichtig es für dich ist- ist es auch anderen Wert? Wenn es wert sein könnte, warum erhältst du es ihnen vor? Ist Dir Dein Weihrauch wichtiger als ihre Freude?
Es scheint tatsächlich ein gewaltiges Desinteresse an meinen Texten zu geben. Aber der eine oder die andere freut sich doch darüber. Demgegenüber erscheint mir das Desinteresse uninteressant. Mein Narzißmus zählt auf Menschen. Vielleicht auf wenige, aber auf Menschen.

Wer nimmt die Rolle eines Schriftstellers an und weigert sich dann, etwas zu sagen? Ich möchte dann schon auch etwas von ihm lesen können.

Das Schicksal aller Ergebnisse unserer anstrengenden Freuden wird sein: "Die Mumie des Ramses verzollt als getrockneter Fisch"( Max Frisch im dritten Tagebuch). Keine schöne Aussicht. Wenn wir das Jetzt vergessen und das Geschenk, Leben gedurft zu haben.

Vergessen wir nicht, daß wir"nur" Menschen, vergänglich und mit einem Leben beschenkt sind!

Ein besonders depressiver Tänzer, der für seine Lebenslust berühmt wurde, lachte einmal: "Es menschelt!" Ihm übermenschelte.

Andere Alte sind sich und der Bedenklichkeit Mensch nah geblieben. Mir gefielen da Mankell und Max Frisch besonders. Wie schön, könnte ich Wolf Wondratschek an ihrer Seite lesen. Er ist doch kein Walser!



20.9.17

Alla Hopp

Alla Hopp!

echte Lutschkultur

Das Prinzip Wellness:
Das Ich totschlagen.
Land und Natur als Genußklo der Stadt.

Die Erinnerung zermalmt
unter Zuckerwatte und entspannter Reservierung
noch ehe sie im Sand der Zeit versinkt.
Ich träumte einst,
jetzt wird hier breit entspannt
vom Ballermann her der Tsunami.

11.9.2017 Клаус ваховски

Auch früher wurde gebaut
und Erinnerung entsorgt.
Auf Beton kann man stehn,
im Schlamm nur untergehn. 

4.9.17

Märchen



Alt geworden sehne ich mich nach Märchen.

Durch das Märchen gehst Du allein. 

Der dunkle Wald, der leuchtende Garten vor dem weißen Haus. Die Mühle, das Feld. Und die Steine, das Gras und das Wasser.

Du bist frei, auf dem Weg in die Befreiung. 

Du tust irgendeine gute und mutige Tat. (Muß jetzt nicht mehr sein.)
Du hörst die Vögel im Himmel und über dem Feld. Die Tiere wünschen Dir einen guten Tag.

Da ist ein Vertrauen in Dich in der Welt.
Aus einer Hütte gehst Du hinaus, in eine Umarmung, zurückzukehren.

Es war kein Märchen.
Es war kein Albtraum.
Es war Umarmung und schön.

Ist der Wunsch hinaus und zurück unangebracht?

Das Schlängeln der Kaulquappe. Die Vögel! Das Eichhörnchen ruft: "Komm!"

Ich sehe: das Tor ist nicht näher gekommen und aus der Nacht funkelt das Leben.

Ganz ohne Bedeutung ist es schön, durch die Straßen der Welt zu gehen. Außer Syrien.

Klaus Wachowski                            29.8.17

20.8.17

Blue



Ich schaue auf in den Himmel,
blau, übersät mit feinen weißen Wolken.
Ich bade im Äther,
getragen und warm.
Klärung.
Die Luft, erfüllt von Erwartung.

Ein junger Mann wirft
Windelsäcke in den Container.
Drei rauchen bei der Geschlossenen
mit Gesten der Verachtung.

Ich sehe den Stamm der Kiefer
hellrotbraun unter blaugrün.

Von unten die Not.
Grandola vila morena.

14.8.17

Blume



Grüner Tag

Ich trinke Grün von unten. Von oben schlürft ein Grau sich ein, zart und klamm von Depression. Man wünscht sich eine englische Hütte herbei aus der Zeit vor der Schafspest des Brexit.

Sieh! Diese Blume im Bad hat neue Blätter! Unansehnlich. So sehe ich das Wunder - stilles Wachsen. Für meine achtlosen Pflege bedankt sie sich mit Sein und Werden.

Um sie herum geht der Alltag weiter, ich rase radelnd durch Natur

Atemlos stoße ich den Kristall dieses Augenblicks um. Es glitzert noch, aber ich habe die Schönheit Deiner stillen Pracht ans Vergessen verloren.

In einer englischen Hütte vor Brexit hält die Zeit einen Augenblick still. Der Blick fällt auf eine unscheinbare Blume, gewachsen. Eine Ahnung von Wunder zieht durch den Tabakrauch.

8.8.17

Wege sanieren

Ich betrachte Texte der 80er, zum Teil sind sie noch älter.

Ich finde Wahrheiten des Verstehen und Herausfinden-Wollens, heldenhaft erzürntes Pathos, Talent. Den allergrößten Teil werfe ich weg. Laß die Erinnerung am Vergessen arbeiten.

Ja! Meinen Weg ging ich suchend, im Wunsch gerecht zu sein, zu helfen, es richtig zu tun. Ich hatte Erfolg, nicht Ruhm. Ich erlebte Glück.

Dem Leiden versuchte ich eine Stimme zu geben. Jetzt habe ich selbst davon, ohne davon reden zu können. Aber für das, was ich hatte, danke ich.

Warum nicht dokumentierten? ich möchte schon von den schönen, erhabenen, schlimmen und gefährlichen Plätzen berichten und singen, zu denen mich mein Weg führte. Andere kamen auf anderen Wegen zu den gleichen Plätzen oder zu schöneren pp. Wer einmal nachschauen wollte, wo ich war und wie es mir erging, sollte auf dem Weg zu solchen Plätzen lieber nicht vom eigenen Weg abweichen. Die vielen kleinen Irrwege, Gartenpfade nicht weniger voll Schlamm, Dornen aber auch schönen Panoramen pp, unterscheiden sich zu wenig unter uns Wanderern, als dass man auf das Erlebnis eigener innerer Landschaft zugunsten des Nachlebens einer anderen verzichten sollte. Lieber vom eigenen enttäuscht als vom anderen erhoben und vom eigenen enttäuscht. Mein Rat: Hänge deinen eigenen Knüppel statt einen Feinstrich von Picasso auf. Aber besuche diesen in einem guten Museum.

Und mich besuche in meinem Blog, wo ich selbst schon ausgewählt habe und weiter vor allem auch lösche.

Ich schreibe zu viel als daß ich viel von anderen lesen könnte. Das wenige hat mir gezeigt, daß es viel Gutes auch bei anderen gibt, das sich zu erkunden und aufzubewahren lohnt. In Kindheit und Jugend habe ich vor allem die Luft in der Stadtbücherei eingesogen, später las ich Phantastisches, politische Literatur. Dann mehr und mehr. Dann: Wie gut, daß es eine Schopenhauer -, eine Jean - Paul - Gesellschaft gab. Wie gut, das der Verlag 2001 Karl Kraus nachdruckte. All die verschlungenen Pfade von Suchern, Liebenden, die man nachgehen konnte, wenn man etwas aus dem eigenen Inneren deutlicher, schöner gesagt hören wollte. Es sagte: geh den eigenen Weg! Und: Suche!

Und ich ging durch eigenes Dickicht. Und es war und ist schön und unschön, aber selbst. Mag der Wind meine Spur verwehen, ich selbst helfe nach. Was sichtbar bleibt, möge den Aufwand des Interesses lohnen. Wenn nicht: ich habe mein bestes getan, dies zu ersparen. Und auch Enttäuschung lohnt als Angebot zu eigenem Leben.

Ich war jung. Die neuen Jungen, soweit sie kritische Vernunft bevorzugen, schreiben so pathetisch und energisch wie ich damals. Ich entsorge ähnliches. Aber ich finde, solcher Rausch hält die Sehnsucht nach allem, was den Menschen liebenswert macht, also Menschlichkeit, am Leben. Mein weiser Kopf lächelt. Eine Alterserscheinung. Auch sie herzlich nötig.

8.8.17

6.8.17

Unter den Wolken

Unter den Wolken hasten die Menschen,
sie schaffen und raffen.

Über den Menschen schweben die Dichter,
sie knarren und schnarren.

Über den Dichtern flattern die Denker,
sie schnattern und schäumen.

Dazwischen aber die Macher,
sie posen mit Bommeln.

Und schupfnudelzart,
artig Mundart.

26.7.17

Chou kou lien 1976


Stare - Gedicht 1983

 

24.7.17

Hinweis auf Caruso an der Rhone

http://spielwiese-dada.blogspot.de/2017/07/caruso-in-orange-rhone-2017.html

13.7.17

Schwalben



Schwalben

Ein Schrei wie der Schmerz aus dem Schwarz  eines Pfeils.

Sie fliegen weite Bögen in meiner Sehnsucht Blau.

Ich schaue und suche aus meiner Erinnerung Grün
nach den Schwalben im Blau
meiner sich biegenden Sehnsucht.

Ein Schrei wie Glück aus dem Wunder.

13.7.17 Klaus Wachowski

7.7.17

Giersch

Sagt der Dichter "Giersch"
Wird mir ganz unwirsch.
Bekommt er dann den Büchnerpreis
Fühl ich mich als Greis.

Leonce und Lena welken ab,
Was war an Büchner denn so schlapp?
Es schnarcht in lauer Lache
Akademiebewertet Sprache

2.7.17

Knallrotes Gummiboot



Wie Ambrosia duften die Spenden zur Selbstinszenierung europäischer Parteidynasten. Der letzte Saumagen ist verkostet, die Epoche des groß-groß, dick-dick feiert das Ende des sogenannten Nachkriegs-Giganten. Krokodilstränen aus Weihwasser. Bevölkerung in überschaubarer Neugier.
Was sonst als Größe konnte der Wert sein, dem man einem Größe begehrenden Parteiboß nach dem Ableben höflicher Weise nachsagen durfte? Verständnis, Fürsorglichkeit, Urteilskraft, Gerechtigkeit? Ob die Unverfrorenheit bei Ergreifen der Chance Einheit oder eher die bei der Chance Spendensack die nächsten hundert Jahre Geschichtsklitterung bestimmen wird, ist noch nicht ausgemacht. Scharen von Lobhudlern des Selbstverständlichen und Abwieglern der Anmaßung warten auf Jobs in blühenden Profiten.

Auf dem Platz der Republik der französischen Stadt Orange, Ursprung von Hollands Größe, schaut der große Rambo, Sarazenenschlächter Roland, in die Touristenschwärme vom Bahnhof. Wer kennt all die Größen vom römischen Kaiser, gallischen Fürsten, reformierten, inquisitorischen, revolutionären Führer, all die Wichtigkeiten der Herrschaft und Unterdrückung? 

Heute sucht Europa wieder nach einem Mythos, nachdem die Sehnsucht nach der Provinz im Namen des Brexit und die andere nach Herrschaft im Namen des Volkes die Hoffnung namens Republik unter Monologen, Inszenierungen und asozialen Wüstungen des Immobilienhypes betäubt hat.

Eine neue orbansche Romantik entfesselt neuen Rausch. Das Gebet an die Größe erreicht wagnerianische Dimensionen. Aus dem Amphitheater Orange winkt Mutter Augusta.
*
Auf dem Rhone verstärkt ein Ölfilm die Reflexionen besonnter Vernunft. Schillernde Größe, unter der den Organismen der Sauerstoff entzogen wird. Die Fische im Schlamm schnappen nach Plastikwürmern, landen im Kochtopf. Die Literaten der Creativ-Werkstatt trinken ein feinteures Weinchen auf Spesen des Lobhudelseminars und wissen sich nicht zu lassen vor spitzen Bemerkungen über Massen und Mächte. Der Koch schneidet derweilen ein knallrotes Gummiboot in die Saumagen-Deco. 

Vom Dom lassen die Tauben weiße Tupfer in die hereinbrechende Ewigkeit fallen. Das Nichts begrüßt die Größe.

Gott schüttelt den Kopf und geht weiter.

Klaus Wachowski 2.7.2017